Hochsensibilität & Empathie


Hochsensibilität & Empathie – Wie beeinflusst dies unser Leben?

Bis zu meinem 56ten Lebensjahr wusste ich nicht einmal, dass ich zu den Menschen gehöre, denen das Persönlichkeitsmerkmal hochsensibel und empathisch zugeordnet werden kann. Erst die entsprechende Literatur ließ mich aufhorchen und machte mich neugierig, was hier die charakteristischen Merkmale sind. Wie dieses Mehr an Sensibilität und Empathie entsteht und worin mögliche Ursachen liegen. Der Begriff Empathie umfasst Mitgefühl und Einfühlungsvermögen und lässt uns so auch die Beweggründe, Gedanken und Gefühle unseres Gegenübers besser verstehen. .......

Erst seit einigen Jahren erforschen Wissenschaftler das Phänomen der „Hochsensibilität“ genauer, obwohl es bereits seit Jahrhunderten bekannt ist. Auf psychologischer Ebene setzte sich bereits C.G. Jung mit der Thematik der gesteigerten „Sensibilität“ auseinander, weil er selbst ebenfalls als sehr sensibel galt.

Hochsensible und hochsensitive Menschen (= HSM) gab es schon zu allen Zeiten. Das Charakteristische an ihnen ist, dass sie meistens auch eine sehr hohe Empathie und ein außergewöhnliches Einfühlungsvermögen haben. Mit ihrem mehr fühlenden Denken haben sie einen anderen Blick auf die Welt. Unter ihnen gibt es viele Künstler, Erfinder, Vordenker, Reformer. Sie können Stimmungen bei anderen oder im Raum erfühlen und spüren, wenn etwas nicht stimmt. Sie gelten als vorausschauender und reflektierter. Verfügen über eine hohe soziale Kompetenz sowie ein stark entwickeltes inneres Wertesystem und ein hohes Gerechtigkeitsempfinden. Sie haben einen anderen Wahrnehmungsfilter, sodass sie Sinnesreize und Emotionen um ein Vielfaches stärker wahrnehmen. Diese feine Wahrnehmung kann einerseits nützlich sein, weil diese Menschen so feine „Antennen“ haben, dass sie Dinge bemerken, die anderen verborgen bleiben. Doch dieses zu viel an Reizen kann sie andererseits sehr stressen, da ihr Nervensystem viel sensibler reagiert als bei anderen Menschen. Das wiederum lässt sie mitunter sehr schnell überreizt sein. Ihr Leben pendelt in aller Regel zwischen Rückzug und angestrengten Versuchen, sich an die Welt im Außen (Familie, Beruf etc.) anzupassen.

Neben dem Stress sind ihre Begleiter häufig Selbstzweifel, Harmoniebedürfnis, Gewissenhaftigkeit und Perfektionismus. Weil sie sich selbst gegenüber sehr kritisch sind, leiden sie häufig unter mangelnder Selbstliebe. Den hohen Anspruch, den sie an sich haben, haben sie auch gegenüber Familie und Freundschaften. Sie werden oft angetrieben von einer undefinierbaren Angst vor Zurückweisung und nehmen auf vielen Ebenen die Dinge mehr, tiefer und intensiver wahr. Zudem kommt, dass sie, je gestresster sie sind, umso empfindlicher reagieren. So entsteht ein Teufelskreis, in dem sie sich immer wieder verfangen, wenn sie sich ihrer selbst zu wenig/nicht bewusst sind und über keine ausreichenden Strategien verfügen, um mit dieser individuellen Gabe leichter durch das Leben zu kommen.

Da sie sich häufig in einem Zustand chronischer Übererregung befinden, reagiert ihr Körper auf anhaltende Reizüberflutung und chronischen Stress sehr leicht mit Symptomen wie Dauerstress, chronische Magen-Darm-Erkrankungen, chronische Muskelverspannungen, Gedächtnisprobleme und Konzentrationsschwächen, erhöhte Schmerzempfindlichkeit, geschwächtes Immunsystem, Überreaktionen auf Therapien und Medikamente, Burnout, Depression (Serotonin-Mangel!) ... um ein paar Beispiele zu geben.

Für hochsensible Kinder ist die Kindheit ihrer Wahrnehmung nach oft eine schwierige Zeit. Werden sie noch dazu in ein für sie schwieriges Umfeld hineingeboren, neigen sie sehr stark dazu, sich den Bezugspersonen anzupassen, um diese zufriedenzustellen und um ihre Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe zu erhalten, denn sie fürchten sich vor Liebesentzug, vor Ablehnung und Kritik. Werden HSM von ihren Eltern kritisiert, hat das mitunter gravierende Auswirkungen auf ihr Selbstbild, ihr Selbstwertgefühl. Das kann sogar so weit gehen, dass sie sich selbst als Erwachsene noch so verhalten, wie es die Eltern, der Partner, ihre Umgebung von ihnen erwarten, nur um nicht abgelehnt zu werden. Sie haben es mitunter so sehr gelernt, sich auf die Bedürfnisse anderer einzustimmen, dass sie sich schwer tun, ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle überhaupt noch wahrzunehmen. Oft lassen sie sich in die Probleme anderer hineinziehen, vergessen Grenzen zu setzen und Nein zu sagen.

Hochsensibilität wird meist vererbt. Kann aber auch durch außergewöhnlich belastende Situationen wie einen Krankenhausaufenthalt, Trennung oder den Tod eines Familienmitglieds, dem man bereits als Baby/Kleinkind ausgeliefert ist, entstehen bzw. den Grad der Intensität der Sensibilität erhöhen.


In Licht & Liebe
Hermine Merkl