Introvertiert versus extrovertiert

Die Persönlichkeitsmerkmale Introvertiertheit (Introversion) und Extrovertiertheit (Extraversion) beschrieb erstmals der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung. Seine Beschreibungen gelten bis heute und unterscheiden sich allein darin wie der Mensch mit seiner Umwelt interagiert.

Introvertierte sind nach innen gerichtet. Sie orientieren sich mehr an ihrer Innenwelt und ziehen ihre Energie aus dem Alleinsein mit sich. Sie brauchen einen Ort der Stille und fühlen sich in einer ruhigen Umgebung wohl. Das Zusammensein mit vielen Menschen empfinden sie als anstrengend und kräftezehrend. Häufig werden sie als zurückhaltend, ruhig und still wahrgenommen. Können aber in geselliger kleiner Runde sowie bei tiefgründigen Gesprächen durchaus aus sich herausgehen.

Extrovertierte hingegen sind mehr der Außenwelt zugewandt. Sie gelten als aktiv, energisch, kommunikativ, kontaktfreudig, abenteuerlustig und risikofreudig. Sie stehen gern im Mittelpunkt und neigen zur Selbstdarstellung. Da die Extrovertierten in der Regel die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, erwecken sie den Eindruck als gehöre ihnen die Welt.
Laut dem Spiegel Online Artikel „Introvertierte – Leise Töne, starke Wirkung“ von Kerstin Kullmann (aus dem Jahr 2015) gehen Wissenschaftler davon aus, dass ein gutes Drittel der Bevölkerung introvertiert veranlagt ist.

Wenn Du mehr zu dieser Persönlichkeitstypologie Intro- und Extraversion erfahren willst, so empfehle ich dir die Bücher und die Internetseite von Frau Dr. Sylvia Löhken. In ihren Büchern sowie ihren Vorträgen, Trainings und Coachings zeigt sie, wie Intro- und Extrovertierte für sich selbst und in ihrer Zusammenarbeit das Beste erreichen können. Die Lektüre ihrer Bücher kann ich sowohl den „Intros“ als auch den „Extros“ nur ans Herz legen.

Mit ihrer Hilfe könnten wir viel für ein gemeinsames Miteinander lernen. Wir bräuchten nicht länger gegeneinander zu konkurrieren. Wir könnten lernen sowohl die Stärken als auch die Schwächen zu akzeptieren. Sowohl die eigenen als auch die unseres Gegenübers. Auf ihrer Internetseite „intros-extros.com“ kannst du zusätzlich den Online-Test „Sind Sie ein leiser Mensch“ machen. Die Nutzung dieses Tests ist anonym. Es werden keine persönlichen Daten erhoben.


Mir persönlich ist das Thema „extrovertiert – introvertiert“ noch aus einem anderen Grund sehr wichtig:

Als Lehrerin und Schulleiterin konnte ich regelmäßig die Erfahrung machen, dass die introvertierten Schülerinnen & Schüler oft „Träumer“ genannt werden und als schüchtern gelten. Doch meiner Meinung und Beobachtung nach trifft dies auf die wenigsten zu. Sie sind mit ihrer Aufmerksamkeit einfach nur vermehrt nach innen gerichtet. Und reagieren mit diesem inneren Rückzug oft nur auf die lauteren und reaktionsschnelleren Mitschüler.

Dass sich die sog. „Intros“ weniger melden, bedeutet nicht, dass sie weniger intelligent sind bzw. vom Unterrichtsgeschehen nichts mitbekommen. Sie hören in aller Regel einfach nur viel aufmerksamer zu. Bevor sie sich melden, nehmen sich die Zeit um über den Sachverhalt nachzudenken. Sie hinterfragen den Sachverhalt und wägen ab. Sie wollen mit ihren Antworten auf Nummer „sicher“ gehen. Sie wollen keine Fehler machen. Sie sind mit ihrer Antwort nicht „vorwitzig“, sondern gewissenhaft und beziehen insgesamt mehr Informationen ein. Auch wenn ihre Antwort zögerlicher kommt, ist sie inhaltlich oft durchdachter, präziser, korrekter. Introvertierte Schüler denken intensiver.

Ihr Problem ist nur, dass in den meisten Klassen eine andere Gesprächskultur herrscht. Auch unter den Schülern zählt bereits das Konkurrenzdenken; gibt es vermehrt den Wettkampf der Selbstdarstellung. Die meisten denken, dass sie nur laut und aggressiv genug in den Klassenraum hineinschreien müssen, um ja gehört zu werden und mit ihrer Antwort punkten zu können. - Falsch gedacht!

Statt einer völlig überdrehten und exzessiven Selbstdarstellung wäre es wichtig, den stillen und introvertierten Menschen mehr Raum zu geben. Raum und Zeit für eine gesunde Selbsterfahrung, Selbsterkenntnis und Selbstwahrnehmung. – Meiner Meinung nach sollten Eltern, Erzieher, Lehrer diesen Kindern vermehrt vermitteln: „Du bist gut so wie du bist, auch wenn du leise bist! – Es braucht auch leise, ruhige und besonnene Menschen in einer allzu lauten, schrillen und von Reizen überfluteten Welt.“

Vielleicht täte dies allen Beteiligten gut. Würden wir vermehrt auch auf die Stärken der Intros sehen, könnten letztlich beide (Intros wie Extros) so viel voneinander lernen. Schade, dass dieses Potential in einer lauten Welt noch so wenig genutzt wird.

Da mir viel daran liegt, die Stärken der Introvertierten mehr zu sehen, seien nachfolgend einige davon genannt. Doch um auch den Extrovertierten gegenüber fair zu bleiben, erwähne ich auch sie. Aber beachten Sie bitte: beide Listen sind unvollständig.


Einige ausgeprägte Stärken der Introvertierten ....

  • sie können gut alleine sein und sich gut mit sich selbst beschäftigen
  • sie strahlen Ruhe und Besonnenheit aus
  • sie sind gute Zuhörer und Ratgeber
  • sie sind mitfühlend, empathisch und können sich gut in andere hineinversetzen
  • sie sind gute Beobachter und nehmen Stimmungen wahr
  • sie brauchen ihre eigenen Ruhe-Inseln, wenn die Welt um sie herum zu laut wird
  • ......


Einige ausgeprägte Stärken der Extrovertierten ....

  • sie sind kontaktfreudig und können andere gut unterhalten
  • sie sind kommunikativ und schlagfertig
  • sie wirken souverän
  • sie können andere leicht begeistern
  • sie sind entscheidungsfreudig
  • es fällt ihnen leicht auf andere Menschen zuzugehen
  • sie scheuen sich nicht laut zu werden
  • .......

 


In Licht & Liebe
Hermine Merkl